Schlag den Lanz

Was hat Pro7 an Stefan Raab, was dem ZDF mit Markus Lanz fehlt?


von To Minh Dang


Die Zeit von „Wetten dass…?“ ist vorbei. Der Termin für die letzte Show steht fest und daran ist wohl nicht mehr zu rütteln. Durch das Aus einer der traditionsreichsten Sendungen des deutschen Fernsehens entstehen viele Fragen. Warum? Und was kann man anders machen?

An dieser Stelle springen wir kurz zu Stefan Raab: Jeder kennt ihn, viele lieben seine Art des Humors, andere eher nicht. Aber man muss sich unweigerlich eingestehen, dass dieser Mann im deutschen Fernsehen Erfolg hat. Was macht er anders? Was macht Pro7 anders als die öffentlich-rechtlichen Sender?

Wetten, dass mittlerweile schon fast alle wieder vergessen haben, dass „Wetten, dass…?“ bald endgültig passé ist? Unmittelbar nach dem fast nebenbei verkündeten Aus der erfolgreichsten deutschen Spielshow wurde viel diskutiert in der Medienlandschaft. Einig waren sich alle darin, dass das Ende vorhersehbar war, dass man nicht wirklich um die Show trauern müsse – sie konnte einfach nicht mehr mithalten. Die Diskussion um Markus Lanz nervt bereits seit er Thomas Gottschalks Nachfolge als Moderator antrat. Wieso, weshalb, warum ist man so schnell über den Tod der Show hinweggekommen? Wir haben längst andere Beschäftigungen oder Unterhaltungssendungen gefunden und das teilweise schon lange vorher. Glaubt man Tom Hanks, der im November 2012 zu Gast auf dem Sofa war, so ist das ganze Konzept von „Wetten, dass…?“ sowieso unverständlich und 3 Stunden dafür viel zu viel Zeit. Aber Moment! Es gibt doch noch andere Spielshows im deutschen Fernsehen, die wesentlich länger dauern als 3 Stunden und immer noch existieren. Deren Sender zumindest nicht offensichtlich mit dem Gedanken spielen sie abzusetzen, wie es zuletzt bei „Wetten, dass…?“ war. Fällt Ihnen da etwas ein? … – … „Schlag den Raab“ bei Pro7 kann auch mal gut 5 Stunden beanspruchen und hat seine Zuschauer mehr oder weniger noch. Auch muss sich Stefan Raab nicht so sehr von der Öffentlichkeit peinigen lassen wie Markus Lanz während der letzten zwei Jahre. Zugegeben – die beiden Personen könnten kaum unterschiedlicher sein und die Situation ist vielleicht nur schwer zu vergleichen, dennoch kann sich das ZDF sicherlich die ein oder andere Scheibe von Privatsendern wie Pro7 abschneiden. Es ist immerhin kein Geheimnis, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender etwas schwer damit tun, das jüngere Publikum anzulocken.

Springen wir ein bisschen in der Zeit zurück: Anfang der 80er Jahre startet die Show, die deutsche Fernsehgeschichte schreibt. Mit Frank Elstner, dem Erfinder als Moderator, werden regelmäßig Zuschauerzahlen von 20 Mio. erreicht. Thomas Gottschalk, der ab 1987 übernimmt, kann diese Zahlen zwar nicht immer erreichen, hält sich jedoch meist bei über 16 Mio. Zuschauern. Das sind für gewöhnlich über 50% aller Fernsehsehenden. Kurzer Moderatorenwechsel zu Wolfgang Lippert, unter dem die Sendung Zuschauer verliert, und wieder zurück zu Gottschalk, der wenigstens wieder einige Zuschauer zurückgewinnen kann. Doch mit dem neuen Jahrtausend kommt langsam eine sich verändernde Medienlandschaft (z.B. Internet) und damit verändern sich auch die Fernsehgewohnheiten der Leute. Unterhaltung verändert sich. Die privaten Sender werden stärker und entwickeln sich zu Konkurrenten. „Wetten, dass…?“ verliert seine Zuschauer zunehmend und Thomas Gottschalk weiß da auch nicht weiter.

Vielleicht helfen ja spektakulärere Wetten? Der Rest ist bekannte Geschichte: Samuel Kochs tragischer Unfall während der Show im Dezember 2010 (schon jetzt „nur“ noch knapp 8 Mio. Zuschauer), der ihn für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl fesselt, und Gottschalks anschließende Entscheidung zu gehen. Markus Lanz zum Schluss. Die letzten paar Gottschalk-Folgen bringen nochmal kurz viele Zuschauer am Samstagabend vor den Fernseher. Doch schon nach der ersten Markus Lanz-Folge purzeln die Zahlen nach unten.

Zahlen – was genau sagen diese Zahlen überhaupt aus? Die letzte Folge „Wetten, dass…?“ hatte 6,84 Mio. Zuschauer und damit einen Marktanteil von 23,1%.            Die letzte Folge „Schlag den Raab“ erreichte 2,76 Mio. Zuschauer mit einem Marktanteil von 10,9%. Die meistgesehene Folge hatte 4 Mio. Zuschauer und     18,8 % Marktanteil. Zahlen über Zahlen. Kurz gesagt: Im Vergleich zueinander schneidet „Wetten, dass…?“ immer noch um einiges besser ab, auch wenn es längst nicht mehr an seine besten Zeiten herankommt. Auch TV Total kommt in den letzten Jahren durchschnittlich nur noch auf eine Million Zuschauer – an dieser Stelle sei bemerkt, dass es eine Late-Night-Show ist und daher ein ganz anderes Format und andere Erwartungen hat. Trotzdem steht keine der beiden Raab-Shows vor dem Aus. Das Wort Erwartungen kann eventuell einen kleinen Teil der Problematik erklären. Welche andere Show im deutschen Fernsehen holt denn momentan schon knapp 7 Mio. Zuschauer vor die Mattscheibe? (Vom Tatort sprechen wir hier nicht, das ist eine andere Schublade). Aber von „Wetten, dass…?“ wird mehr erwartet, es ist eben der Klassiker des Samstagabends mit 23 Mio. Zuschauern zu seinen besten Zeiten, doch das ist lange her. Pro7 erwartet wohl kaum zweistellige Millionenzahlen von Stefan Raab – 6 Millionen sind wahrscheinlich schon ein Grund zum Feiern. Von Markus Lanz wurden aber (gnädigerweise „nur“) regelmäßig 8 Mio. Zuschauer gewünscht – Mission gescheitert.

„Wetten, dass…?“ ist noch dazu eine so prunkvolle Show, dass sie hohe Geldsummen für die Produktion verschlingt. Schätzungsweise 2 Mio. Euro kostet eine Sendung, sie kann aber auch mal 2,5 Mio. kosten. „Schlag den Raab“ ist mit 800.000 Euro pro Folge im Vergleich dazu recht günstig. „TV Total“, das keinen großen Aufwand benötigt, liegt noch wesentlich weiter darunter. Da kann man Norbert Himmler, den Programmdirektor des ZDF, verstehen, wenn er sagt, der Aufwand für die Show stehe nicht mehr im Verhältnis zur Zuschauerresonanz. Mit Aufwand ist hier natürlich nicht nur das Geld gemeint und mit Zuschauerresonanz nicht nur die Einschaltquoten. Wenn die Zahlen nicht stimmen und die öffentlichen Stimmen kaum noch ein gutes Haar an einer Show lassen, dann ist es wohl an der Zeit, Dinge zu ändern, die längst hätten geändert werden sollen.

In den meisten Artikeln, die man zu dem Thema lesen kann, findet sich das Wort Lagerfeuer. Lagerfeuerromantik, Lagerfeuereffekt – alle sitzen beisammen und schauen in diesem Fall gemeinsam auf den Fernseher. Familienabend eben. Laut der Süddeutschen Zeitung wärmt das Lagerfeuer mit Namen „Wetten, dass…?“ nicht mehr. Aber gibt es denn heutzutage überhaupt noch solche Lagerfeuer? War früher nicht alles anders? Da war ein Samstagabend mit der ganzen Familie vor dem Fernseher was Besonderes und etwas, was man einfach getan hat. Da war schlichtweg die ganze Familie zu Hause und an Abendunterhaltung gab es nur den Fernseher und Brettspiele (und für den Einzelgänger vielleicht ein gutes Buch). Mit VHS-Kassetten, dann DVDs und dem Internet, das sich rasend schnell entwickelte, veränderte sich alles. Hat man den Film, den man sehen möchte, auf DVD, kann man ihn statt des Fernsehprogramms über die Scheibe flimmern lassen. Mit Online-Streaming bzw. Video-on-Demand ist das Wunschprogramm noch leichter zu finden – wozu sich mit dem Fernsehprogramm begnügen? Vielleicht gehen die Jugendlichen an einem Samstagabend auch lieber feiern und kurieren ihren Kater am nächsten Tag mit ein paar „How I Met Your Mother“-Folgen auf dem Laptop im Bett aus. Fernseher – überflüssig.

Doch wie am Anfang bereits geschildert: Stefan Raab kennt trotzdem jeder. Erfolgreich ist er auch, ohne dass er immer die besten Einschaltquoten hat. Vor allem aber kennt ihn auch das junge Publikum, Markus Lanz tut sich da schon schwerer. Das ist auch eines der großen Probleme der öffentlich-rechtlichen Sender: das Publikum zwischen 14-49 Jahren. Im Durchschnitt mögen sie bei den Zuschauerzahlen zwar etwas die Nase vorn haben, schaut man sich aber dann das Publikum zwischen 14-49 an, so liegen die privaten Sender meist ein gutes Stück vor den öffentlich-rechtlichen. Eigentlich ist schon lange klar, dass da überlegt werden muss: Was fehlt? Was haben die privaten Sender, das die öffentlich-rechtlichen nicht haben, das das jüngere Publikum so anzieht?

Stefan Raab kommt ständig mit neuen Ideen um die Ecke. Angefangen mit „TV Total“ im Jahr 1999 hat er bis heute noch zahlreiche andere Shows hervorgebracht. Hätte Pro7 zwischendurch nicht Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf gefunden, wäre sein Gesicht wahrscheinlich dort Dauerprogramm. „Schlag den Raab“, „Schlag den Star“, der „Bundesvision Song Contest“, zahlreiche „TV Total“ Spezial Sendungen wie die Wok WM, Autoball, Turmspringen und und und stammen von ihm. Ob eine Wok WM nun eine vollkommen absurde blöde Idee sein mag oder nicht ist vollkommen egal, sie läuft bei Pro7 und über die Bildschirme zu Hause bei den jungen Leuten. War „Wetten, dass…?“ am Ende einfach zu alt? Immer das gleiche Konzept wird irgendwann wohl doch langweilig oder zumindest nicht mehr attraktiv für die neuen jungen Zuschauer.

„Die Hauptredaktion arbeitet jetzt an neuen Ideen für den Samstagabend“, heißt es im offiziellen Statement des ZDF. Neue Ideen müssen her, das hat das ZDF begriffen. Doch hat es nicht begriffen, dass der Samstagabend nicht mehr das ist, was er mal war. So werden Erwartungen wieder hochgesteckt und Enttäuschungen einkassiert. Vielleicht hat Stefan Raab ja eine Idee für das ZDF oder vielleicht weiß Kevin Spacey einen Rat, der so ähnlich lautet wie: Gebt den Zuschauern was sie wollen. Bleibt nur noch zu klären, was genau die Zuschauer denn wollen und ob Quoten tatsächlich dabei helfen das herauszufinden.

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