NACHHER: Gutes Geld durch schlechtes Benehmen

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Wie inszenierte Skandale zum Erfolg verhelfen können


von Jaspar Glaschke


Als das amerikanische Pop-Sternchen Taylor Swift 2014 ankündigte, ihre Kunst werde nicht mehr über Spotify und vergleichbaren Streaming-Diensten zu hören sein, zog sie in einen medialen Kreuzzug. Bewaffnet mit der ideologischen Keule der Kunst – „Music is Art, and Art is important and rare. Important, rare things are valuable. Valuable things should be paid for.“ – ritt die reiche und berühmte Promi-Göre an der Spitze einer Protestbewegung, die ansonsten aus wenig beachteten Garagenbands der Indie-Szene bestand. Wie nobel!

Doch mit ihrer erfolgreichen Rückkehr zum Marktführer Spotify in diesem Jahr entwertet sie selbst das damalige Protestieren als bloße Strategie, ihre Aussagen wirken nun wie eine schlechte Parodie. Nicht nur, dass ihre Konkurrentin Katy Perry dort die Nische fröhlich nutze: mit Spotify lässt sich aus einem 10-Millionen mal verkauftem Album eben doch noch mehr rauspressen. Größen wie Perry und Swift profitieren am stärksten von Streaming-Diensten, weil diese auch neben den ca. 0,007 Cent pro Stream genug Geld verdienen, um davon nicht abhängig zu sein. Die Vorteile dieser Dienste liegen auf der Hand: maßgeschneiderte Kundenakquise, allgemeine Verfügbarkeit und extrem hohe Reichweite. Besonders die Reichweite, gerade von Spotify mit 50 Millionen zahlenden Kunden, ist in der digitalen Welt eine neue kostbare Dimension geworden.

Was für ein Idee! Drei Jahre lang das betonte und revolutionäre Protestieren, dann das gefeierte und inszenierte Comeback. Aber nicht einmal diese Idee ist originell, die Machtspielchen mit der Musikbranche sind so alt wie die Musikbranche selbst. Die deutsche Ikone Herbert Grönemeyer und die Beatles, die Band schlechthin, übten sich ebenfalls im jahrelangen Ignorieren und der überraschende Übereinkünfte mit Streaming-Diensten. Es ist eben nicht nur eine Frage der Kunst, sondern auch des Geldes, und große Künstler können sich diese vermeintliche Ignoranz leisten, um sich dann für große Summen und beidseitig absatzsteigernde PR feiern zu lassen.

Unabhängig von Protest gegen Streaming-Anbieter ist der Skandal oder der Protest eine von vielen, wenn auch selteneren Marketingstrategien: There is no such thing as bad publicity. Wenn der mittlerweile erfolglose Goldie in einem Interview „versehentlich“ Andeutungen zu der wahren Identität des Street-Art-Künstlers Banksy von sich gibt, in derselben Woche, in der auch sein letztes Album erscheint. Kanye West, der permanent durch laute Pseudo-Fashion-Aktionen („The Kids Supply“ bringt personalisierbare Yeezy-Sneakers heraus, titelt zuletzt die Vogue) auffällt, bis hin zu dem berühmten Wurstkleid von Lady Gaga. Es gibt viele Beispiele für Erfolg durch Kontroverse.

Auch außerhalb der Unterhaltungsbranche können Skandale brillante wirtschaftliche Katalysatoren sein, so ist Tiger Woods nach seiner Affären wesentlich berühmter als davor, hat nun wesentlich potentere Sponsoren. Der Name Woods ist nun auch außerhalb der Golfszene eine Bekanntheit. Das Schwergewicht der guten Bad-Publicity ist natürlich der amtierende US-Präsident Donald J. Trump, der sicherlich nicht durch seine nebulösen Einkünfte oder seine Arbeit als Investor berühmt geworden ist. Die Medien haben ihn eigennützig im Wahlkampf rigoros unterstützt, weil sie wussten, dass er Skandale liefert und die Menschen darauf gierig anspringen. Er beleidigt Minderheiten und Frauen, irritierte etablierte Werte, denunziert seine Gegner, polarisiert und liefert am laufendem Band Skandale. Kein Politiker kam im US-amerikanischen Wahlkampf auf so viele Sendeminuten, bekam soviel internationale Aufmerksamkeit durch schlechtestes Benehmen. Und das auch noch kostenlos: Sein Budget war verschwindend gering im Vergleich zu seiner finalen Kontrahentin Clinton, die aber nunmal im Vergleich nicht „aufregend“ war.

Das Beeindruckende am inszenierten Protest ist einerseits das Paradoxon, dass das Erreichte im Prinzip genau dadurch erreicht wird, wogegen oberflächlich protestiert wird, andererseits ist es ein großes Wagnis. Die Marke oder der Künstler könnten durch eine solche Aktion auch ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Aber vielleicht hilft das dadurch gewonnene Vermögen über diesen Frust hinweg.


©für das Bild: By GabboT (Taylor Swift 103) [CC BY-SA 2.0], via Wikimedia Commons

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