VORHER: Taylor Swift und ihr Feldzug gegen Spotify

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Ein Beitrag von Laura Volk vom 25.03.2016


 

Von den Einen als blondes Popsternchen auf den Spuren der jungen Britney Spears belächelt, von den Anderen als gleichermaßen starke und anhaltend erfolgreiche weibliche Künstlerin und Persönlichkeit im mehr denn je wankelmütigen Showbusiness verehrt und bewundert, spaltet Taylor Swift die Szene, wie es in jüngster Vergangenheit wohl nur einer Lady Gaga gelang. Doch neben all ihren Platin-Auszeichnungen und Grammy-Awards fand eine ihrer letzten großen medialen Inszenierungen viel Aufmerksamkeit: Swifts vermeintlicher „Sieg“ über den Musik-Streaming-Riesen Spotify. Doch auch hier scheiden sich die Geister: Ein mutiger Einsatz für den Erhalt der Wertschätzung von Musik oder eine bewusste Behinderung eines längst überfälligen Entwicklungsprozesses der Musik-Industrie? Wenn es nach Taylor Swift ginge, wäre die Sache sehr eindeutig: In einem von ihr verfassten Artikel welcher 2014 im Wall Street Journal erschien, spricht sie über den heutigen Wert von Musik – sowohl im künstlerischen, als auch im ökonomischen Sinne – und beleuchtet die Musikindustrie nicht nur aus der Sicht der musikalischen Größen und Plattenfirmen, sondern spricht auch aus ihrer Rolle als junge, aufstrebende Künstlerin im „Haifischbecken“ der Szene heraus:

„Music is Art, and Art is important and rare. Important, rare things are valuable. Valuable things should be paid for. It’s my opinion that music should not be free, and my prediction is that individual Artists and their Labels will someday decide what an Album’s price point is. I hope they don’t underestimate themselves or undervalue their art“

Der größte Streitpunkt zwischen Swift und dem immer erfolgreicher werdenden Streaming-Dienst scheint demnach eine wahre Grundsatzdiskussion zu sein: Wie hoch ist er denn nun eigentlich, der Wert von Musik?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich zuerst einmal einiger Fakten stellen: Wurden noch vor 10 Jahren über 90% des Umsatzes der amerikanischen Musikindustrie aus CD’s gewonnen, machen sie heute – zusammen mit anderen Raritäten wie Kassetten oder Schallplatten – nur etwa 35% des Marktes aus. Dagegen gingen etwa 60% an den Verkauf und Vertrieb von digital zur Verfügung gestellter Musik, ein Posten, der vor 10 Jahren noch nicht einmal einen Platz in der Statistik fand. Wo liegt denn hierbei nun das Problem? In welcher Form in Musik investiert wird, spielt doch letztendlich keine Rolle. Pro Stream gehen zwischen $0.006 und $0.0084 an den jeweiligen Künstler_innen. Das sich das besonders für junge und aufstrebende Musiker_innen, die wenige Streams generieren, keinesfalls lohnen kann, liegt auf der Hand. Und obwohl Taylor Swift dieses Problem angesichts ihrer rekordverdächtigen Albumverkäufe nicht zu haben scheint (Swift schaffte als erste Künstlerin überhaupt einen millionenfachen Verkauf in der ‚Opening Week‘ ihrer letzten drei Alben in Folge), solidarisierte sie sich doch medienwirksam mit dem musikalischen Kleinunternehmern und nahm erst ihr letztes Album 1989, und wenig später auch ihre gesamte Diskographie aus dem Spotify-Katalog. Das brachte den Streaming-Anbieter sowohl vor den millionen Taylor Swift-Fans unter den Spotify-Abonnenten_innen, als auch vor anderen aufgeschreckten User_innen in Erklärungsnot. Spotify sah sich harscher Kritik an der fehlende Wertschätzung für die jeweiligen Lieblingskünstler_innen ausgesetzt.

In einer offiziellen Stellungnahme von Spotify wird auffallend oft betont, man habe seit der Gründung im Jahr 2008 immerhin ganze 2 Milliarden Dollar an Labels und Verwertungsgesellschaften ausgezahlt. Doch lässt sich daraus nicht klar erkennen, wie viel Geld am Ende wirklich bei den KünstlerInnen ankommt. Diese Information transparent zu machen, scheint Spotify doch auffallend schwerzufallen. In selbigem Statement rechtfertigt das Unternehmen seine Daseinsberechtigung übrigens einzig und allein durch seine Aufgabe als effektive Online-Plattform im Kampf gegen die Piraterie: „Ohne uns wärt ihr schon längst dem illegalen Download-Wahn der heutigen Jugend zum Opfer gefallen!“ Doch ob der Schritt von 0,0000 zu 0,0004 Cent gerade in der Independent-Branche einen allzu großen Unterschied macht, sei nun mal dahingestellt. Taylor Swift jedenfalls möchte mit ihrer Musik „nicht zu einem Experiment beitragen, das nach meinem Gefühl Autoren, Produzenten und Künstler nicht fair entschädigt“, kann man in der FAZ lesen.

Für international erfolgreiche Künstler_innen mag die Entscheidung gegen Streaming-Plattformen nicht allzu wagemutig erscheinen, schaffte doch nicht zuletzt Swift auch ohne Spotify den millionenfachen Verkauf ihres letzten Albums 1989. Doch ob es nun Idealismus, oder doch eine gewisse Portion Trotz und Beharrlichkeit ist. Mit ihrem Glauben an die CD als weiterhin wichtigster Musikträger in der Zukunft und gleichzeitig auch an die Konsument_innen und deren Bewusstsein dafür, wie viel Mehrwert tatsächlich in physikalischen Tonträgern steckt, scheint sie nicht alleine zu sein. Gerade deutsche Künster_innen wie Farin Urlaub oder Herbert Grönemeyer hadern zunehmend mit ihrer Präsenz auf Streaming-Plattformen, scheint für sie die Aussicht auf eine halbwegs rentable Anzahl an Clicks auf dem internationalen Markt sowieso zu gering zu sein. Wie hoch also der Wert von Musik für jeden Einzelnen ist, hängt wohl vor allem von der Art des Musikhörens ab: Bin ich bei meiner bewussten Musikauswahl zunehmend überfordert vom Überangebot der Streaming-Dienste oder neige ich ohnehin zu passiver Dauerberieselung durch bereits zusammengestellte Playlists? Höre ich „eigentlich alles ganz gern“ oder befasse ich mich noch mit dem Booklet und der Dramaturgie eines Albums? Kommt eine fehlende Bereitschaft zum CD-Kauf automatisch einer zu geringen Wertschätzung gleich? Muss ich daraus Schlussfolgern, daß mir die Musik nicht wichtig ist, nur weil mich die vergleichsweise geringe Sound-Qualität und die Werbeeinspielungen nicht sonderlich stören?

Das der Erfolg und die Beliebtheit des Streaming weder von der Hand zu weisen, noch als Hype abzutun ist, ist wohl allen klar. Doch inwieweit wir Spotify die Vorherrschaft über den Markt überlassen wollen, dass entscheidet jede_r Musikhörer_in mit seiner_ihrer Entscheidung für sich selbst. Doch auch die Künstler_innen können faktische Konsequenzen aus dieser Entwicklung ziehen: Will ich einfach nur Musik machen, oder will ich dermaßen gute, durchdachte und gleichzeitig emotional universell ansprechende Musik machen, dass mein Publikum das Album einfach kaufen will, egal wie? Taylor Swift jedenfalls hat diese Frage für sich beantwortet:

„In mentioning album sales, I’d like to point out that people are still buying albums, but now they’re buying just a few of them. They are buying only the ones that hit them like an arrow through the heart or have made them feel strong or allowed them to feel like they really aren’t alone in feeling so alone. It isn’t as easy today as it was 20 years ago to have a multiplatinum-selling album, and as artists, that should challenge and motivate us.“


©für das Bild: By jazills [CC BY 2.0)], via Wikimedia Commons

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