funkt’s?

funk - das neue Content-Netzwerk von ARD und ZDF
Pressekonferenz „funk – das neue Content-Netzwerk von ARD und ZDF “ am 29. September 2016 in Berlin. Foto: Stefan Hoederath/funk. Kostenlose Verwendung bei redaktioneller Berichterstattung über funk und Formate aus dem funk-Angebot.

Ein Beitrag von Julia Fischer.


„funk“ wird 2 Jahre alt. Die Online-Content-Sammlung von ARD und ZDF soll ein explizites Medienangebot für Jugendliche und junge Erwachsene bieten. Hat sich seit dem Beginn des Angebots etwas verändert? Ruft der neuartige „Sender“ ein neues Konsumverhalten von Unterhaltungsmedien hervor oder werden dadurch nur journalistisch flache Video- und Audioinhalte auf Bravo-Niveau finanziert, die auch ohne den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf YouTube stattfinden?

„Wir wollen mit unseren Inhalten Menschen zwischen 14 und 29 erreichen.“

Die Aufgabe des Senders, wenn man ihn überhaupt noch so nennen darf, ist auf der eigenen Webseite klar definiert: Ein Programm für die mit am anspruchsvollste Zielgruppe – Jugendliche und junge Erwachsene. Dabei wird auf den über 60 verschiedenen Formaten natürlich darauf geachtet, dass für jedes Alter dieser Zielgruppe etwas relevantes und interessantes dabei ist, ob unterhaltend, kritisch, informierend oder polarisierend. Getragen wird das Medienangebot von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF und ist daher gebührenfinanziert. Ein neuer Fernsehkanal soll funk aber  bewusst nicht sein: Das Programm wird nicht mehr klassisch ausgestrahlt, sondern ist ausschließlich online abrufbar. Neben einer Mediathek auf der eigenen Seite funk.net werden die Inhalte auch auf anderen Plattformen angeboten. Die meisten Formate finden auf YouTube statt, aber auch im Social-Media-Raum in Facebook, Instagram, Twitter und Snapchat sind funk-Produktionen präsent. Da das Programm ausschließlich für das junge Publikum gedacht ist, setzt man auch bei den Medienmacher*innen und Beschäftigten der Programmplanung ausschließlich auf junge Menschen. Endlich verabschiedet man sich von der Vorstellung, dass die „Alten“ im Geschäft ein authentisches Programm für junge Menschen entwerfen können.

Inhaltlich erfindet funk dabei die Netzwelt nicht neu. Einige Formate entstehen zwar erst mit der Gründung des Jugendangebots, andere gibt es aber in ähnlicher Form schon vorher. Generell heben sich die meisten Formate nicht stark von dem schon bekannten üblichen YouTube-Content ab. Es gibt allerdings einen Unterschied: Da funk ein Programmangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, gelten auch deren Richtlinien. Der größte Unterschied zu erfolgreichen kommerziellen Kanälen besteht also in der fehlenden Werbung und dem Verbot von Productplacement. In der Gestaltung der Inhalte sind die unterstützten YouTuber recht frei, die Themen sind sehr divers bis speziell und unbeeinflusst von kommerziellen oder politischen Leitfäden. Diese Freiheit findet sich allerdings auch in der Qualität der Inhalte und Produktionen der Formate wieder – von professioneller Fiction-Serie über guten Journalismus bis zu flachen YouTube Vlogs und ichbezogenen Instagramstories findet sich alles.

Doch mit einer grundlegend neuen Änderung der Unterhaltung trifft funk völlig die Tendenz der Zielgruppe: Der Weg weg vom linearen Fernsehprogramm hin zu ausgewählten Formaten, die der Zuschauer individuell wählt, zeigt nicht nur ein Umdenken bei den Verantwortlichen des Jugendangebots, sondern präsentiert den aktuellen Trend des Medienkonsums. Das nichtlineare Konsumieren auf Streaming- und Videoplattformen wird längst bevorzugt und eröffnet zugleich neue Chancen. Mit einem jährlichen Budget von 45 Millionen Euro bekommt funk zwar im Vergleich zu den immensen Summen größerer öffentlich-rechtlichen Sender einen eher geringen Anteil – dieser Etat würde wohl nicht für ein gut produziertes lineares Programm an 7 Wochentagen reichen – für die rund 60 Formate, die sehr unterschiedliche Produktionskosten aufweisen, reicht es jedoch. Warum sollte man erfolgreiche Video-Formate von MrWissen2go oder Visa Vie zwingend in ein Fernsehformat und Programmschema zwängen, wenn sich diese als YouTube-Videos unter den zahlreichen Konsumenten schon bewährt haben? Kein Druck durch zwingende Einschaltquoten, kein Audience-Flow, kein Streit um beliebte Ausstrahlungszeiten, jedes Format kann für sich stehen und sich seine eigene Sparte in der Netzwelt suchen. Außerdem entsteht durch die zahlreichen Kommentare und eigenen Communities der Abonnenten ein viel aktiveres Zuschauerverhalten und der direkte Kontakt zum Publikum.

Der Auftrag des Content-Netzwerks ist dabei nicht gerade einfach: Inhalte für die mit am schwersten greifbare Zielgruppe, quasi kein Routineschauen – eine Zielgruppe, die sich so schnell wandelt und dabei die weite Welt des Internets zur Auswahl hat. Doch nach gerade mal einem Jahr verbucht funk weitaus bessere Bilanzen als anfangs prognostiziert. Über 250 Millionen Aufrufe und vier Millionen Abonnenten von unterstützten YouTube-Formaten, dazu kommen die Abrufe auf den Social-Media-Plattformen. Das Angebot wird von jungen Menschen genutzt und hat eine Relevanz mit positiver Entwicklung. Was jahrelang mit verschiedenen Jugend-Sendern scheiterte, funktioniert nun scheinbar durch funk.

Das Konzept trug auch schnell bei Kritikern Früchte, nach gerade mal einem Jahr des Bestehens bekam die eigens produzierte Mystery-Serie „Wishlist“ den Grimme-Preis und Förderpreis des Deutschen Fernsehpreises. Auch kleinere Formate wie „Datteltäter“, „Kliemannsland“ oder „Y-Kollektiv“ erhielten Auszeichnungen wie den Grimme Online Preis oder den Webvideopreis.

Trotzdem bleibt der Vorwurf: Eine gesamtgesellschaftliche Relevanz bei jungen Leuten bestehe nicht. Zwar verbucht funk bessere Zahlen als erwartet und hat durch einige Videos plötzliche Erfolge, allerdings halten sich viele der Formate nur in einer sehr speziellen und kleinen Zielgruppe. Ein Erfolgsgarant bleibt aus, das Content-Angebot generiert keine Formate, die an die Reichweite der großen YouTuber heran kommen. Der Vorwurf, 45 Millionen Jahresbudget seien dafür zu viel, bleibt.

An der Produktion kann es nicht liegen, die meisten YouTube-Kanäle könnten von diesen Mitteln nur träumen, doch die Inhalte oder Präsentationen überzeugen nur zum Teil. Dabei versucht funk in den über 60 unterstützten Formaten eine starke Vielfalt anzubieten. Die Qualität der Inhalte ist dabei mindestens genau so vielfältig, ob informativ oder unterhaltend. Dies alles ganz abgesehen vom Bildungsauftrag, den man so oft verzweifelt sucht. Ob eine Teenagerin auf Snapchat von ihrem Beziehungsleben detailliert erzählt oder eine Doku-Soap aus dem KiKa nach 10 Jahren nochmals aufgerollt wird – der einzige Unterschied zwischen dem Bibi-Prinzip und dem Auto-Fokus-Jumpcut-Look ist dabei leider nur noch die fehlende Werbung. Ist alles schon mal da gewesen oder gleicht dem üblichen inhaltslosen Tagebuch von YouTubern, die zu gerne von sich selbst erzählen.

Bei Formaten wie „Jäger&Sammler“ oder „Auf Klo“ ist das Problem ein anderes: Es gibt ein Thema, welches aneckt oder Tabus brechen soll, nur leider wird die Ausarbeitung des Themas auf flache Schwarz-Weiss-Sicht reduziert oder fragwürdige Thesen werden ohne jegliche Reflexion aneinandergereiht. Der Zuschauer bekommt immer häufiger das Gefühl, das Brainstorming in der Redaktion wurde zu früh beendet. Das sieht im Bereich Fiction leider nicht viel besser aus: Eine jugendliche Mini-Webserie, die viel zu stark an „Sex and the City“ erinnert, krampfhaft mit Konventionen brechen will und peinlich jugendlich wirken soll. Dagegen punktet eine gut produzierte Mystery-Serie (Wishlist) mit durchdachtem Drehbuch und Handlungsbogen – das Niveau der Inhalte könnte nicht unterschiedlicher sein.

Ein beständig gutes Bild geben einige informative oder dokumentarische Formate ab, ob Medienkritik und -satire von Walulis, der sehr direkte Kommentar von Moritz  Neumeier oder eine herrlich ehrliche Reportagenreihe namens „Die Frage“. Hier geht das Konzept auf, ein guter Standard kann erfüllt werden und die Unabhängigkeit von kommerziellem Erfolgsdruck tut den Kanälen gut. Die Inhalte können für sich stehen ohne ständig von Werbung unterbrochen oder durch übliche Clickbaiting-Maschen verdorben zu werden.

So bleibt am Ende anscheinend nur ein wirklich strukturell entscheidender Unterschied, die Werbe – und Productplacementfreiheit. Natürlich folgen daraus erweiterte Möglichkeiten: YouTuber produzieren keine umfangreichen Serien wie Wishlist und auch andere, kleinere Fiction- und Non-Fiction-Formate profitieren von den sicheren Mitteln, die sie von den Rundfunkanstalten erhalten. Man kann sich ein anständiges gut ausgestattetes  Studio bauen, hat eine schlagkräftige Redaktion im Hintergrund, vielleicht sogar einen professionellen Sprecher und kann sich mit der gewonnenen Freiheit kreativ austoben. Leider passiert das aber viel zu selten. Bei den über 60 Formaten ist man schnell mit der Aufzählung wirklich neuer, innovativer und außergewöhnlicher Konzepte am Ende. Die meisten Ideen gab es schon lange auf YouTube und von der gestalterischen und inhaltlichen Qualität heben sie sich nicht sonderlich ab, mal davon abgesehen dass die Wenigsten eine erwähnenswerte Relevanz aufweisen.

Vielleicht sollte man jedoch die  Freiheit, die sicherlich auch vom Ort der Verbreitung bestimmt wird – also gerade nicht der Ausstrahlung über einen öffentlich-rechtlichen Sender obliegt – nicht zu gering schätzen. YouTube als Verbreitungsplattform für funk bietet einen hervorragenden Platz für das Testen neuer Ideen, eine Spielwiese der Öffentlich-Rechtlichen. Dabei kann es schon mal peinlich werden oder Formate werden schnell wieder eingestellt. Doch immer wieder erweisen sich einige Kanäle als innovative, gewinnbringende Beiträge, die definitiv Potential zur Weiterentwicklung und Förderung aufweisen.


Bildnachweis:

Foto: ©Stefan Hoederath/funk von ARD und ZDF

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