
Als Studierende einer Musikhochschule, in einem Studiengang der Musik mit Medien verbindet, waren wir natürlich auf die Musikvideo-Screenings besonders gespannt. Aus dem kuratierten Programm internationaler Musikvideos (eine Playlist findet sich am Ende dieses Beitrags) sind uns folgende drei Videos aufgefallen:
Freitag 22:00 Uhr – MuVi International
Like Sugar – Chaka Khan (Kim Gehrig)
Chaka Khan ist kein unbeschriebenes Blatt in der Musikwelt. Seit den 70ern hört man ihre Stimme in Funkbands und Discohits wie „Ain’t Nobody“. Doch in den letzten Jahren wurde es sehr ruhig um die Künstlerin. Nun meldet sich die 65-jährige Künstlerin mit ihrem bereits zweiten Comeback zurück und präsentiert in ihrer Musik wie auch im Look der Videos eine deutliche Weiterentwicklung.
Das Tanzen gehört zum Standart-Repertoire von Musikvideos – so gut wie in „Like Sugar“ wird es aber in den sonstigen Wettbewerbs-Videos nicht umgesetzt. Der Grund hierfür ist nicht nur die gute Choreografie der Tänzer, die mit farbigen, urbanen Retro-Klamotten auf einer Tankstelle tanzen, sondern sicherlich auch die filigrane Art des Schnitts, welcher die Bewegungen der Tänzer rhythmisiert, repetiert und damit das Visuelle direkt auf die Musik schneidet. Diese Symbiose funktioniert durch Jumpcuts und Loops, bei denen mit dem Bild ähnlich umgegangen wird, wie mit Loops in der Musik. So werden einzelne Bewegungen von Tänzern genau auf die Länge und Anzahl des musikalischen Loops geschnitten und zu gleichwertigen kleinen Bausteinen. Die Wiederholungsschleifen im Bild erinnern an die Ästhetik von GIFs oder dem Boomerang-Videoeffekt von Instagram. Doch damit wird sehr genau gearbeitet. Es entsteht eine spannende Mischung aus natürlich-repetierten Bewegungen der Tanzenden, die wie geloopt aussehen, tatsächlichen Loops und solchen, die so genau auf die Bewegung geschnitten sind, das diese fast natürlich aussehen. Genauso wird mit der Geschwindigkeit und der Abspielrichtung des Bildes gespielt.
Was sehr konstruiert klingt, wirkt aber im Video gar nicht so aufdringlich, da alle Bildschnitte durch die Musik unterstützt werden. Durch bestimmte Moves können sogar einzelne Instrumente wie Bongos oder Claps assoziiert werden. Eine Geschichte oder deutliche Entwicklung findet in dem Video nicht statt, in dem Song aber auch nicht wirklich. Das Bild weicht nie von der Musik ab, den Aufbau und Beat, sieht man und hört man, genau wie Breaks, Steigerungen und einzelne Klangfarben. Da die Musik hier so genau in der Bildsprache und Montage abgebildet ist, könnte man sich fast vorstellen, den Ton des Videos auszustellen und anhand des Bildes den Song weiterzuhören.
СКАЗКА / FAIRYTALE – IC3PEAK (Jakov Burov and IC3PEAK)
„Die Antwoord“ auf Russisch – so lässt sich „CKA3KA/ FAIRYTALE“ von „IC3PEAK“ ganz gut zusammenfassen. Harte Industrial-Trap-Beats begleiten die monoton schreiende Stimme einer Frau. Dazu erklingt in den Mittelteilen eine gesungene Melodie, die entfernt an ein Kinderlied erinnert.
Mit Kindern hat das animierte Video auch zu tun. Allerdings jagt hier ein creepy WTF-Moment den nächsten und es passieren Dinge, die man so schnell nicht mehr vergisst. Von verunstalteten Kuscheltieren bis hin zur gruseligen Hexe ist hier alles dabei. Inhaltlich geht es wohl um ein Paar, das verflucht wird und ein behindertes Kind zur Welt bringt – aber all das ist aufgrund der Verworrenheit des Videos auch nur Spekulation. Am besten genießt man das Kunstwerk einfach selbst!
If the Car Beside You Moves Ahead – James Blake (Alexander Brown)
Es ist dunkel, ein Mann steigt in sein Auto und lässt den Motor an. Was folgt ist eine viereinhalb-minütige Fahrt durch das nächtliche Los Angeles. Im Zeitraffer ziehen die Lichter vorbei und blitzen im Lack der 91er Corvette auf. Es ist kein Ziel ersichtlich, der Fokus liegt auf der Fahrt selbst, die auch als Metapher für das kontinuierliche Fließen der Zeit stehen könnte. Der hypnotisch-melancholische Beat verstärkt die traumähnliche Atmosphäre. Der Sound wirkt durchsichtig und strahlt eine gewisse Kälte aus. Am auffälligsten dabei ist Blakes heliumartig nach oben gepitchter Gesang, durch den die zerschnittenen und geloopten Wortfragmente wie aus einer anderen Welt klingen.
Auf der Großleinwand des Kinos kommen die kunstvollen Lichtspielereien besonders gut zur Geltung und entwickeln eine enorme Sogwirkung.
In dieser Playlist findet hier alle verfügbaren Musikvideos, die in dem MuVi International Screening in Oberhausen gezeigt wurden: