Loot tut gut!


Beute (engl. = Loot) ist ein wichtiger Bestandteil in beinahe jedem Videospiel. Unabhängig davon, was genau sich in den unzähligen Truhen und Kisten finden lässt, ist es immer ein befriedigendes Gefühl, für die oft sehr lange Suche entlohnt zu werden. Dabei ist die Freude über den gefundenen Gegenstand absurderweise meist proportional mit der Dauer der Suche. Und natürlich triggert mein Belohnungszentrum im Gehirn gleich doppelt, wenn mein Gegner nach einem harten Kampf auch noch eine seltene Waffe fallen lässt. Dieses Prinzip ist schon lange bekannt und in der Gaming-Branche ist es sogar so erfolgreich, dass es ein eigenes Genre gibt, welches das „Looten“ auf die Spitze treibt. Neben all den Trends, die über die Jahre aufkommen und wieder verschwinden, halten sich solche Looting-Games hartnäckig. Aber was genau fesselt die Spieler an solch einem Spiel, sodass sie meist hunderte Stunden dort verbringen?

Eine Welt voller Möglichkeiten 

Das Genre hat verschiedene Merkmale. Im Zentrum der Spiele steht trotz aller Looterei meist eine komplexe Story. Als Spieler nimmt man dabei nicht unbedingt eine Hauptrolle ein, sondern steuert stattdessen häufig einen Charakter, der sich am Rande des Geschehens befindet – der sich zwischen den Fronten bewegt und die Drecksarbeit erledigt, die sonst niemand auf sich nehmen will. Belanglos ist das Handeln des Spielers aber trotzdem nicht. Man muss gewichtige Entscheidungen fällen, sich für oder gegen eine Seite entschließen und in manchen Fällen auch für das eigene Handeln geradestehen. Wie genau man die Handlung des Spiels bestreitet, bleibt damit dem einzelnen Spieler überlassen. Dadurch steigert sich einerseits der Wiederspielwert und andererseits wird der Spieler viel stärker in die Handlung eingebunden, wenn er das Gefühl hat, dass seine Entscheidungen tatsächlich einen Unterschied machen.

Die Flexibilität in der Handlung setzt sich in der Entwicklung des eigenen Charakters fort. Oft stehen einem Spieler zu Beginn eines Looting-Games verschiedene Völker und Klassen zur Verfügung, von denen man sich seine eigene, individuelle Kombination auswählen kann. Als Beispiel hierfür eignet sich das Urgestein des Genres – World of Warcraft. Dort gibt es inzwischen neben Menschen, Zwergen, Gnomen und Nachtelfen noch 17 weitere Völker. Kombiniert man diese mit den verschiedenen Klassen, hat man bereits in der Charaktererstellung 168 verschiedene Optionen – genügend um die für sich selbst passende zu finden.

Bereits diese frühe Entscheidung hat später Einfluss auf die Spielerfahrung und auch die Spielweise. Der Grund dafür liegt in den verschiedenen Rollen, die ein Spieler einnehmen kann und die oft auch an die gewählten Klassen gebunden sind. So gibt es besonders widerstandsfähige Tanks, die andere Spieler beschützen, Heiler, die ihre Verbündeten mit Heilungen und anderen Stärkungen unterstützen und Schadensverursacher, die den Gegnern großen Schaden zufügen können, aber wenig aushalten. Schon bei der Rollenverteilung zeigt sich, dass solche Spiele darauf ausgelegt sind, sie gemeinsam mit anderen Spielern kooperativ zu spielen. Nur gemeinsam im (Voice-)Chat kann man direkte Absprachen treffen und so auch die stärksten Gegner bezwingen.

Damit ergibt sich ein weiterer Punkt, der Looting-Games attraktiv macht. Neben der starken Einbindung der Spieler in die Story und ihre Welt, sorgen genau diese Koop-Funktionen dafür, dass Spieler langfristig an ein Game gebunden werden. Gerade wenn man auf diese Weise andere Spieler kennenlernt und mit ihnen eine Gruppe bildet, ergeben sich soziale Verantwortungen, denen man sich verpflichtet fühlt. Kommt ein Mitglied der Gruppe trotz Verabredung nicht zu einem Raid, scheitert die gesamte Gruppe daran.

Entsprechend haben gerade die Spiele mit einem Fokus auf einem kooperativen Modus oft auch noch Jahre nach der Veröffentlichung eine sehr starke Spielerbasis, die fast täglich online ist und spielt. Wirft man einen Blick auf die aktuellen Spielerzahlen auf der Plattform „Steam“, sind Spiele mit dem Fokus auf Looting, so wie „Path of Exile“ (2013), „Monster Hunter: World“ (2018) oder „Warframe“ (2013) mit täglich über 50.000 Spielern fast immer unter den Top 20. World of Warcraft übertrifft auch 15 Jahre nach seiner Veröffentlichung diese Zahlen um ein Vielfaches. Obwohl das Spiel für Gaming-Verhältnisse schon sehr alt ist, spielen auch heute noch rund 700.000 Menschen das Spiel täglich. Dazu kommt, dass WoW mit jedem Expansion- Pack und damit jeder Fortführung der Handlung wieder Millionen Spieler zurück an den PC lockt. Nach der Veröffentlichung der Expansion „Battle for Azeroth“ im Oktober 2018 stieg die Zahl aktiver Spieler für kurze Zeit zurück auf über 4 Millionen.

Spiel vorbei? Von wegen!

Neben solch einer gewichtigen Haupthandlung und der Fortführung dieser Handlung in Expansions zeichnet Looting-Spiele auch ein ausgeprägtes Post-Game aus. Das Spiel ist mit dem Abschluss der Hauptstory nicht zu Ende, sondern oft fängt hier der Spaß gerade erst an. Die Inhalte, die dabei angeboten werden, müssen mehrere Kriterien erfüllen. Zum einen sollten sie nicht zu repetitiv sein und stets etwas Neues bieten und zum anderen sollten die Anforderungen an den Spieler auch nicht geringer werden. Man darf nie das Gefühl bekommen, alles erledigt zu haben – es muss immer ein noch schwieriger erreichbareres Achievement und noch kräftigere Gegner geben.

Meistens geht all das Hand in Hand mit einem Leveling-System. Zunächst steht auch hier eine Individualisierung der Spielweise im Vordergrund. Mit jeder Stufe, die mein Charakter aufsteigt, habe ich die Möglichkeit ihn nach meinen eigenen Vorstellungen auszurichten, ihm bestimmte Fähigkeiten zu geben und ihn auf gewisse Art und Weise zu verstärken. Gleichzeitig bedeutet jede neue Stufe auch eine Verstärkung der Gegner und eine Verbesserung der Beute, die ich finden kann. Damit hat der Spieler immer eine Motivation, nach dem höchsten Level und der verbesserten Beute zu streben. Und selbst wenn dies mit einem bestimmten Charakter erreicht ist, stehen auch noch verschiedene andere Klassen und Spielweisen zur Verfügung, die ausprobiert werden wollen.

Und der Loot?

Neben all diesen Merkmalen fehlt natürlich noch der Namensgeber des gesamten Genres – der Loot. Zunächst könnte man vielleicht denken, es wäre einfach, den Spielern irgendwelche Belohnungen für ihre Mühen zu geben, doch auch ein Looting-System sollte gut überlegt und nicht willkürlich sein. Zum einen ist es wichtig, dass die Spieler nicht mit belanglosem Kram zugemüllt werden. Natürlich lassen sich auch überflüssige Gegenstände verkaufen und zu Geld machen, aber sobald beim Spieler das Gefühl entsteht, es lohne sich nicht, eine gewisse Zeit zu investieren, besteht die Gefahr, dass das Spiel seine Bindungskraft verliert. Während einerseits an belanglosen Gegenständen gespart werden sollte, dürfen seltene und starke Items andererseits auch nicht zu inflationär auftreten. Ein besonders wertvolles Objekt sollte im jeweiligen Spiel immer auch ein gewisses Status-Symbol sein. Dazu kommt natürlich, dass die Gegenstände zufällig gefunden werden, auch wenn es vielleicht bestimmte Spawn- Orte und -Raten gibt.

Ein Paradebeispiel für ein gutes Looting-System ist der Shooter „Borderlands 2“. Im Gegensatz zu anderen Looting-Spielen sind hier die Waffen, die gefunden werden können, nicht vorprogrammiert, sondern werden nach dem Vorbild von „Diablo 2“ zufällig generiert. So gibt es im gesamten Spiel rein theoretisch etwa 17,8 Millionen Waffen. Es ist klar, dass es damit für den einzelnen Spieler unmöglich ist, die perfekte Waffe zu finden, aber die Jagd nach einer besseren Ausrüstung lohnt sich trotzdem immer. Denn bei jedem neuen Gegner besteht die Möglichkeit, dass er das Item fallen lässt, welches meine Ausrüstung komplettiert.

Es sind also mehrere Faktoren, die Spieler an einem Looting-Game fesseln. Neben der nicht enden wollenden Flut an Quests ist es meistens das Universum, in das Spiel und Handlung eingebettet sind und in dem die Spieler noch länger verweilen wollen. Gepaart mit einem guten Leveling-System, Tonnen an Loot und einer Koop-Funktion können solche Spiele auch über Jahre hinweg begeistern. Als ein sehr positives Beispiel hierfür, sei an dieser Stelle noch einmal „Borderlands 2“ erwähnt. Das Gearbox-Spiel aus dem Jahr 2012 entwickelt durch seinen comic-haften Cel-Shading-Look und einen ganz eigenen Humor eine besondere Sogkraft. Zusammen mit den auftretenden Nebencharakteren, die dem Spieler über dem Verlauf der Handlung ans Herz wachsen, entsteht ein sehr gelungenes Gesamtkunstwerk, dessen Besonderheit man bereits am für Spiele untypischen Movie-Intro sehen kann.


Von Marek Börsig.

© für das Foto: „Pezibear“ from Pixabay
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